Einst lag am Strand von Westerland
'ne Muschel angeschwemmt im Sand.
Sie konnt’ sich keinen Strandkorb leisten,
und das erboste sie am meisten.
Man sah schon bald, wie’s mit ihr stand:
Die Ärmste hat 'nen Sonnenbrand!
Auch litt sie Durst, ihr ging’s nicht gut,
sie hofft' auf Kühlung durch die Flut.
Die hat sie eiskalt fortgespült
und unbarmherzig unterkühlt.
Die Wellen trugen sie zur Stund
hinaus auf See, hinab zum Grund.
Dort lag sie unterm Tang im Kies
am Meeresgrund und fühlt' sich mies,
weswegen man sie kurzerhand
Miesmuschel nannte – hier zu Land.
Jedoch, sie klomm schon bald darauf
an einem starken Pfahl hinauf,
wo ungezählte andre Muscheln
dreist über ihre Torheit tuscheln.
Drum ließ sie ihren Namen ändern,
lebt ungeniert in fremden Ländern,
wo ihre Herkunft niemand kennt,
und jeder sie Pfahlmuschel nennt.
© Heiner Vogel