[ Original und Parodie ]

Kommunikation einst und jetzt

Eine Paraphrase auf das Gedicht “Briefwechsel” von Eugen Roth.

Hier zunächst das Original


Briefwechsel

(Gedicht von Eugen Roth)

Ein Mensch, der weiß, wie lang und lieb
Die Welt sich voreinst Briefe schrieb,
Denkt lang darüber hin und her:
Warum tut sie das heut nicht mehr?

Er wähnt, die Gründe hab er schon:
Zeitmangel, Zeitung, Telefon.
Doch nein, wer ernstlich wollt, dem bliebe
Genügend Muße, daß er schriebe.
Ist er zu faul nur, zu bequem?
Gleich wird er schreiben - aber wem?

Wer teilt, so überlegt er kühl,
Mit mir noch meinen Rest Gefühl,
Daß sich's verlohnt, in längern Zeilen
Ihm dies Gefühl erst mitzuteilen?
Verschwend ich darum Herz und Geist,
Daß er's in den Papierkorb schmeißt?

Schon wird ihm, kaum daß er's bedacht,
Selbst von der Post ein Brief gebracht:
Voll Überschwang und Herzensdrang,
Vier handgeschriebne Seiten lang.

Er überfliegt sie; rückzuschreiben,
Läßt er, schon Unmensch, besser bleiben,
Es könnt sich, fruchtbar gleich Karnickeln,
Briefwechsel sonst daraus entwickeln.
Er weiß jetzt, wie die Dinge liegen:
Kein Mensch will auch noch Briefe kriegen!

© Eugen Roth

 


Hier nun die Paraphrase von Heiner Vogel:

Briefwechsel

Ein Mensch, wie Eugen Roth, bekrittelt 
so manchen Mißstand unsrer Zeit,
und dies Gedicht, das er betitelt:
"Briefwechsel", rügt die Schreibfaulheit,
an der die Menschen heute leiden,
obzwar sie's ungern eingesteh'n,
Zeitmangel schützt man vor beizeiten,
um nicht als Faulpelz dazusteh'n.

Gern schiebt die Schuld man auf die Medien,
auf's Fernsehn redet man sich raus,
auch hätt' man Wichtiges zu erledigen...
Die Wahrheit sieht ganz anders aus:
Wer wird mit Schreiben Zeit verlieren,
wo jeder heut ein Handy hat,
wie praktisch ist telephonieren,
beim Einkaufsbummel in der Stadt.

Das Schreiben ist auch zu beschwerlich,
man braucht dazu Papier und Stift,
auch weiß man nie, sei'n wir doch ehrlich,
ob man den richt'gen Stil auch trifft.
Ein Handy-Call ist viel dezenter,
man kann dabei spazieren gehn,
hab'n sie schon mal im Einkaufs-Center
'nen Menschen Briefe schreiben sehn?

Und ist die Braut auch noch so lieblich,
ein Liebesbrief an sie macht Streß,
Briefwechsel ist heut nicht mehr üblich,
I love you, reicht, per SMS.

Drum - laßt das Briefeschreiben bleiben,
laßt euren Kugelschreiber ruhn!
Ich müßt euch ja sonst wieder schreiben,
da hätt' ich wahrlich viel zu tun.

© Heiner Vogel

 

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